Das Thema Globalisierung ist einfach und bedeutsam
zugleich; einfach, weil es zu unserer Zeit gehört und bereits viele
Meinungen dazu geäußert wurden und bedeutsam, weil das Innere und das
Wesen der Globalisierung noch nicht deutlich geworden ist, d. h. es ist
noch erklärungsbedürftig. Es ist aber eine Realität, die sich zunehmend
beschleunigt und unterschiedliche Gesellschaften beeinflusst.
Globalisierung ist ein kompliziertes Rätsel mit vielen unbeantworteten
Fragen. Was ist das Wesen der Globalisierung, welches sind ihre
historischen Wurzeln, wer hat diese Idee entwickelt, wer unterstützt und
wer widersetzt sich ihr, ist sie erzwungen oder freiwillig angenommen,
welche Bedeutung haben Kultur, Religion, interkultureller Dialog usw. für
die Globalisierung und welche Rolle spielt der Mensch mit seinen Ängsten
dabei? Das sind einige Fragen, mit denen ich mich bei der Erläuterung der
Globalisierung ungeachtet deren Vor- und Nachteile befassen werde. Solange
die Bedeutung der Globalisierung unklar ist, kann man ihr nicht
entsprechend begegnen, denn wir können nicht gleichgültig bleiben, da sie
uns unwillkürlich betreffen wird.
Was bedeutet Globalisierung?
Es scheint, dass dieser Begriff nicht eindeutig
definiert werden kann, sondern dass er vielmehr verschiedene Aspekte in
sich vereint, angefangen von Wirtschaft über Kultur, Wissenschaft, Politik
bis zur Ethik. Wirtschaftswissenschaftler sehen die Globalisierung als ein
wirtschaftliches Phänomen, das mit der Zeit eine globale Wirtschaft
schafft, und dieses wirtschaftliche Ereignis wird wie eine Welle auf
Kultur, Politik usw. übergehen. Daraus folgt, dass neue Werte
traditionelle Werte ersetzen und eine neue Werteordnung entsteht. Dem
Soziologen White zufolge wird die Globalisierung ohne territoriale
Veränderungen mithilfe elektronischer Mittel weltweit alle Menschen
erreichen, und die Souveränität im klassischen Sinne wird bedeutungslos
werden, wie Castells in seinem Buch "Das Zeitalter der Kommunikation"
beschreibt. Die Idee der Globalisierung ist die Schaffung eines
"Stadtstaates", in dem alle Menschen Bürger sind, gleich wo sie leben. D
h. das Zusammenleben der Menschen ist der Hauptgedanke der Globalisierung,
wenngleich nicht eindeutig geklärt ist, welche Ordnung oder Tradition
dieses Zusammenleben prägen soll. Zum einen gibt es die Meinung, dass
keine bestimmte Kultur dominant sein wird, sondern viele Kulturen die
kulturellen, politischen, wirtschaftlichen und
kommunikationstechnologischen Aspekte des sozialen Phänomens
Globalisierung weiterentwickeln werden. Für Cetrovic und Kellner steht die
globale Wirtschaft im Vordergrund, die rasch einen globalen Markt und in
dessen Folge globale politische Organisationen bewirkt. Für Robertson
hingegen ist die Entwicklung der Welt von einem Zustand in sich zu einem
Zustand für sich dominant. Es gibt also eine Vielfalt von Meinungen zur
Globalisierung, die dieses Phänomen letztlich nicht eindeutig erklären
können. Es gilt folglich, aus der zukünftigen Entwicklung der
Globalisierung dieses Phänomen zu verstehen.
Ursprung der Globalisierung
Die Menschheitsgeschichte zeigt, dass der Mensch
immer auf der Suche nach einer humaneren Welt war, und der Gedanke von der
globalen Welt ist wie die Idee des Individualismus so alt wie die
Geschichte des Denkens. Beide, die globalistische wie auch die
individualistische Idee haben jeweils eigene Absichten, Ziele und
Argumente, mit denen ich mich nun auseinandersetzen möchte.
Für Giddens fängt die Globalisierung mit der
Modernität an und diese wiederum mit der Entdeckung Amerikas. Andere
definieren die Globalisierung als eine Periode der Moderne - allen
Meinungen ist jedoch gemeinsam, dass der Gedanke der Globalisierung in der
Geschichte des Menschen tief verwurzelt ist. Baron Turgot, Minister unter
Ludwig XVI., hat die Sprache und das Schreiben als zwei Möglichkeiten zur
Weitergabe der Kultur von einer Generation zur nächsten beschrieben. Auf
die gleiche Weise wird sämtliches Wissen der Menschheit von Generation zu
Generation weitergegeben. Der daraus resultierende gemeinsame Schatz der
Menschheit beruht auf Erfahrungsaustausch und diese Entwicklung begleitet
den Menschen in seinem ganzen Leben. Einer anderen Ansicht zufolge beginnt
die Globalisierung mit dem Niedergang der Sowjetunion und dem
gleichzeitigen Gedanken von einer neuen Weltordnung, mit dem die
Republikaner eine wirtschaftliche und militärische Dominanz verbanden. In
diesem Zusammenhang wurden u.a. von einem "Weltdorf", einer neuen
Weltordnung (Wallerstein) und einem "Zusammenrücken der Welt" (Robertson)
gesprochen.
Tatsächlich scheint der Gedanke der Globalisierung
viel älter zu sein als der Begriff selbst, der Anfang der 1980er Jahre
populär wurde. Diese Idee ist in den großen Religionen ebenso zu finden
wie in der Renaissance und der kulturellen und industriellen Revolution
des 18. und 19. Jahrhunderts.
Wer steht hinter der Idee der
Globalisierung?
Für die Menschen stellt sich heute die Frage, welche
Theoretiker und Akteure die Globalisierung lenken, was hinter der Bühne
geschieht, wer Vorteile daraus zieht und wer Nachteile davon hat und wo
diese Geschichte enden wird?
Eine tiefe Kenntnis von der Globalisierung
verhindert, dass man einen speziellen Akteur oder eine einzelne
Gesellschaft als bestimmend identifizieren kann. Vielmehr ist die
Globalisierung als Entwicklung des menschlichen Bewusstseins in unserer
Zeit, d. h. als Ergebnis der technologischen Revolution zu sehen. Deshalb
haben die technologisch fortgeschrittenen Industrieländer mehr Vorteile
von der Globalisierung und können ihre Interessen besser in diesen Prozess
einbringen.
Befürworter und Gegner der
Globalisierung
Wie jedes Phänomen hat auch die Globalisierung Gegner
und Befürworter, und einige Meinungen aus beiden Gruppen möchte ich hier
wiedergeben.
Giddens beschreibt in seinem Buch über die Ergebnisse
der Modernität die Akzeptanz der Globalisierung als ein bewusstes
Engagement zur Beantwortung der Frage nach der Lebensweise. Seiner Meinung
nach kann man in einer Welt, die zusammengerückt ist und somit die
Abstände überwunden hat, vor dem Fernsehapparat sitzen und wie der in
seinem Film "Der große Diktator" mit einem Luftballon spielende Charlie
Chaplin mit der Weltkugel spielen. Anderen Meinungen zufolge ist die
Globalisierung das Produkt der technologischen Revolution und wird die
Weltwirtschaft amerikanisieren, oder sie ist nichts anderes als die
Ideologisierung der Verbreitung der politischen Macht des internationalen
Kapitalismus unter der Führung der USA, in deren Folge die
wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Grenzen beseitigt und der
multinationale Kapitalismus die Bodenschätze und damit die Märkte unter
seine Kontrolle bringt und damit seine politische und militärische Macht
stabilisiert. In diesem Sinne verlangt die Globalisierung also die
Akzeptanz der Dominanz der westlichen Kultur. Daher das Bemühen, die
kulturelle, politische, ethische Kultur des Westens und insbesondere der
USA zu verbreiten. Viele Denker beschäftigen sich aber auch mit den
negativen Folgen, die die Globalisierung für viele Entwicklungsländer,
Ostblockländer und Länder der Dritten Welt und sogar einige europäische
Länder mit sich bringt, deren Wirtschaft von der Politik der
multinationalen Industrie zerstört wird und deren politische Ordnung von
der Kultur der Globalisierung beeinflusst wird. Solche Folgen verhindern,
dass die Globalisierung von den Massen nicht unterstützt wird, und
folglich die Diplomatie und militärische Macht an Bedeutung gewinnt. So
wird aus dem Projekt "Globalisierung" ein erzwungenes Projekt, das viele
Probleme mit sich bringt, was dem eigentlichen Wesen der Globalisierung
widerspricht.
Die Achtung der einheimischen Identitäten und
Religionen im Globalisierungsprozess erfordert viel Toleranz, Geduld und
eine allmähliche Entwicklung statt einer raschen und aufgezwungenen
Veränderung. Damit die menschliche Zivilisation zu ihrer globalen Reife
gelangen kann, muss dieser Globalisierungsprozess auf kulturellem
Pluralismus basieren, denn dann stellt er keine Gefahr für andere Kulturen
und Identitäten dar, sondern vielmehr eine Herausforderung zur Fortschritt
und Entwicklung. Im Unterschied zu jenen, die in diesem Zusammenhang von
Kulturimperialismus sprechen, sagt Robertson, dass die Welt von diesem
Pluralismus profitiert und einem Dialog der Kulturen förderlich ist.
Globalisierung: Zwang oder Wahl?
Jeder reflektierende Mensch sollte nicht außer Acht
lassen, dass wir nicht mit einer neuen Idee oder einem sich allmählich
entwickelnden Konzept konfrontiert sind, sondern dass wir uns einer
fortschreitenden Bewegung gegenübersehen, die wir nicht ignorieren können.
Sie betrifft uns, gleich ob wir das wollen oder nicht. Sie drängt in jeden
Bereich unseres Lebens und macht sich bemerkbar. Ich vergleiche den
Globalisierungsprozess mit einer Welle, die nur jene heil überstehen, die
schwimmen können - alle anderen werden Opfer dieser Wellen werden und ihre
Identität verlieren. Aus diesem Grunde ist es notwendig, sich mit diesem
Phänomen zu beschäftigen und mit der nationalen und religiösen Kultur eine
vernünftige Antwort darauf zu finden. Wichtig ist hierbei auch, dass die
Globalisierung der Theorie von einer Konfrontation der Kulturen
entgegensteht, denn sie steht nicht für einen kulturellen Kampf sondern
vielmehr für eine supranationale Kultur, die nicht die Beseitigung anderer
Kulturen verlangt sondern diese in sich vereint.
Die Rolle des kulturellen Dialogs im
Globalisierungsprozess
Der Dialog ist von der menschlichen Identität nicht
zu trennen, denn er begleitet und beeinflusst den Menschen, solange er
existiert. Deshalb betonen große Denker den Dialog, und auch in der Bibel
lesen wir, dass am Anfang das Wort war, und das Wort war Gott. Für
Sokrates resultiert der Dialog aus der Erkenntnis des Menschen, dass er
nicht weiß, und weil unsere Unwissenheit keine Grenzen kennt, brauchen wir
den Gedankenaustausch. Aus diesem Bewusstsein der Unwissenheit resultieren
Fortschritt, Entwicklung und Schöpferkraft in allen existentiellen
Bereichen. In mehr als 300 Versen betont der Qur'an die Notwendigkeit des
gemeinsamen Nachdenkens, und dies verdeutlicht, dass ein Gedanke allein
der Wahrheit eines Phänomens nicht gerecht werden kann. Moulawi betont,
dass man die Diskussion entweder unterlassen soll, oder aber die Freiheit
gewahrt werden soll, alles sagen zu können, so das die Wahrheit auf der
Grundlage von Vernunft und Nachdenken offenbar wird. Für Popper besteht
der erfolgreichste Schritt zu einer besseren und friedlicheren Welt darin,
die Schwerter durch Argumente zu ersetzen.
Wenn wir die Ideen Kants akzeptieren, wonach der
Mensch Vernunft und Triebe in sich vereint, dann müssen wir davon
ausgehen, dass auch der heutige Mensch von diesen beiden Aspekten
beherrscht wird. Jederzeit ist es möglich, dass einer von beiden die
Oberhand gewinnt und das Verhalten des Menschen bestimmt. Man kann froh
sein, dass die Menschen heute Dialog miteinander führen, es gilt jedoch
wachsam zu sein, dass dieser Dialog im Rahmen von Technologie und
Modernität nicht wie ein Schwert genutzt wird. Der Dialog ist in unserer
Epoche ein zweischneidiges Schwert, das den Menschen aufklären, aber auch
in einem Zustand geistiger Stagnation belassen kann. Dialog im Sinne von
Aufklärung ist nützlich, denn er beseitigt gegenseitige Vorurteile und
lässt die Menschen erkennen, dass ihre Wünsche und Ziele gleich sind.
Der persische Dichter Sa'ebe Tabrisi betont, dass der
Dialog zwischen Glaube und Unglaube zu einem Ziel führt, denn es gibt nur
einen Traum, der jedoch unterschiedlich interpretiert wird. Hier möchte
ich eine Frage aufwerfen, die ernsthaft untersucht werden sollte: Ist die
Verbindung zwischen der Globalisierung und einer einheitlichen
Gemeinschaft, von der der Qur'an spricht, und der philosophischen Theorie
von der Einheit des Seins und dem idealen Staat Farabis deutlich oder
nicht? Wurzelt die Globalisierung nicht in der Natur des Menschen, so dass
wir diese genauer erforschen sollten?
Robertson ist von einer bestimmten Art des Dialogs
überzeugt. Er unterteilt den Dialog der Kulturen und sagt, dass manche
Kulturen unerreichbar sind und ein Dialog mit ihnen unmöglich ist. Andere
Kulturen hingegen beeinflussen andere oder werden von anderen beeinflusst,
wie z. B. der Dialog zwischen dem Westen und der Dritten Welt
verdeutlicht. Robertson ist von Kulturen beeindruckt, die zwar ihre
Identität bewahren, aber dennoch die Bereitschaft aufweisen, sich der Zeit
anzupassen und mit anderen Kulturen auszutauschen. Auch für Thomas Hobbes
beruht eine friedliche Existenz auf Dialog. Seiner Meinung nach wollen
alle Menschen den Schutz einer friedlichen Existenz und deshalb ist der
Dialog zur Feststellung der gemeinsamen Interessen unumgänglich.
Was geschieht aber mit jenen, die einem
Gedankenaustausch abgeneigt sind, aber bereit sind, für ihre Einstellung
zu sterben? Nach Popper kann man einen Dialog nicht immer als erfolgreich
bezeichnen, auch wenn er Einigkeit impliziert. Vielmehr verlangt die
Uneinigkeit von den Dialogpartnern eine intensivere und tiefgründigere
Auseinandersetzung mit dem Dialogthema, was ein besseres Resultat zustande
bringen wird.
Sicherlich können unterschiedliche Meinungen im
Rahmen dieses Artikels nicht ausführlich diskutiert werden.
Zusammenfassend möchte ich aber festhalten, dass der Erfolg der
Globalisierung vom Dialog abhängt. Alle objektiven Denker der
verschiedenen Kulturen sollen die Vor- und Nachteile der Globalisierung
diskutieren, ihre Gedanken austauschen und zu einem Ergebnis gelangen, das
sie den Menschen mitteilen sollen, da ansonsten die Globalisierung keinen
leichten Stand haben und sich unterschiedlichen Problemen gegenübersehen
wird.
Das Schicksal der Religiosität im
Globalisierungsprozess
Auch in diesem Zusammenhang gibt es unterschiedliche
Thesen. Die Wirtschaftswissenschaftler sind der Meinung, dass die
Globalisierung ein wirtschaftliches Phänomen ist, das die kulturellen und
politischen Meinungen und Einstellungen der Menschen eint und letztlich zu
einer neuen kulturellen und politischen Einstellung der Menschen führt.
Einer anderen These zufolge wird zwar die Wirtschaftskultur globalisiert
aber nicht zu einer Annäherung der verschiedenen Religionen führen, d. h.
die Welt wird zwar eine global einheitliche Wirtschaftsstruktur haben, die
politische und kulturelle Vielfalt jedoch erhalten bleiben. Huntington z.
B. sieht die westlichen Werte und die Kultur der Freiheit von
fundamentalistischen Kulturen bedroht. Deshalb ist es wichtig, die
kulturelle Identität dieser Länder genauer zu untersuchen. Dabei darf
nicht vergessen werden, dass Religion und religiöse Kultur die Menschheit
seit jeher begleitet haben und als eine starke Institution für die
Menschen bedeutungsvoll ist. Heute können wir sogar in säkularen
Gesellschaften beobachten dass die Religion eine große Rolle spielt und
das Verhalten der Menschen bestimmt. Sowohl religiöse wie auch
nichtreligiöse Menschen sollten jedoch bedenken, dass das Wesen der
Religion absolut und heilig ist, dass der religiöse Mensch sich am
Jenseits orientiert, aber mit dem Diesseits zurechtkommen muss. Er ist
abhängig von Ort und Zeit und ebenso wie sich sein Körper verändert,
ändert sich auch seine Einstellung. Deshalb erscheint eine relativistische
Gestaltung seines Lebens vernünftig. Das Problem des religiösen Menschen
als einem relativen Wesen liegt genau in dieser Verbindung mit der
absoluten und heiligen Religion. Die Akzeptanz Veränderbarkeit der
rationalen Einstellung des Menschen impliziert die Veränderlichkeit seines
Bewusstseins und seiner Kenntnis. Auch sein religiöses Leben, das sich in
Form von religiösen Gesetzen manifestiert, ist davon nicht ausgenommen. Es
spricht alles dafür, dass das menschliche Wissen relativ ist und folglich
der Relativismus eine Wahrheit in seinem Leben ist. Das unverfälschte
Wesen der Religion mit dem relativen Wissen des Menschen zusammenzubringen
ist ein Fehler, der oft gemacht wurde und noch immer gemacht wird und
viele Probleme verursacht. Das bedeutet nicht, dass der Mensch einer in
westlichen Ländern vorherrschenden Meinungen zufolge niemals in der Lage
ist, die absolute Wahrheit der Religion zu erkennen, sondern vielmehr,
dass es nicht unmöglich ist, sich mittels spiritueller Methoden mit dem
absoluten Wesen der Religion zu verbinden. Diese Möglichkeit ermöglicht
uns Einvernehmen mit dem Relativismus, ohne die Absolutheit der Religion
zu verwerfen, wenngleich absolute Gesetze für die gemeinsame menschliche
Zukunft eine große Gefahr darstellen. Deshalb widerspricht die
Religiosität nicht der Absolutheit in dem Sinne, dass der Relativismus
weder auf Säkularismus basieren oder notwendigerweise zur Absolutheit des
Heiligen führen muss.
Mit einer solchen Einstellung zur Religiosität kann
der religiöse Mensch auch mit der Globalisierung gut zurechtkommen,
wenngleich niemand weiß, was hinter den Kulissen vor sich geht und ob alle
Beteiligten wirklich an einer humaneren Welt und universalen menschlichen
Werten interessiert sind oder den Menschen nur als Mittel sehen. Meiner
Meinung nach wird sich dies in allen Gesellschaften, gleich ob religiös
oder säkular, zeigen. Die Menschen wollen nicht nur Beobachter sein,
während einige wenige für sie entscheiden. Deshalb soll man den
Globalisierungskritikern zustimmen, denn wenn die Masse der Menschen die
Globalisierung nicht unterstützt, werden jene, die meinen, das Schicksal
der Menschheit hänge allein von ihnen ab, ebenfalls keinen Erfolg haben.
Der Globalisierungsprozess gründet auf Säkularismus, und folglich werden
die Nationen ihrer eigenen Vorstellung von Religion folgen, d. h. wir
werden keine internationale Melodie finden, in die alle Nationen
einstimmen, insbesondere wenn man der Definition von Brian Wilson folgt,
der Säkularisation nicht als Untergang von Religion und Religiosität
beschreibt, sondern der Religion dabei einen sekundären und damit
schwächeren Rang in der Gesellschaftsordnung zuschreibt.
Zusammenfassend möchte ich festhalten, dass der
heutige Mensch nur eine Möglichkeit hat, und zwar eine Einstellung, die
auf Realismus und nicht auf Idealismus beruht. Die alte Weltordnung ist
schwach und vergänglich geworden, und die Welt ist auf der Suche nach
einer neuen Ordnung. Damit dieses Ziel erreicht wird, muss man Dialog
führen. Der Dialog der Kulturen ermöglicht es den Menschen, im Rahmen der
Globalisierung eine neue Ordnung zu finden, die nicht die bitteren
Ergebnisse der Intoleranz nach sich zieht. Aus diesem Grund hat die
Forderung nach einem Dialog der Kulturen weltweite Unterstützung gefunden,
während die Idee der Auseinandersetzung in der modernen Welt isoliert und
in der Minderheit sein muss. Wenn man diese beiden Richtungen miteinander
vergleicht, wird man leicht erkennen, welche für Fortschritt und
Wissenschaft und welche für Unwissenheit und Dogmatismus steht. Dialog
oder Krieg? Es scheint, dass im Rahmen der Globalisierung zunächst die
Voraussetzung dafür geschaffen wurde, dass die Welt humaner und
menschlicher wird und dass der Mensch zu einem "Weltbürger" wird. Dies
setzt voraus, dass Gerechtigkeit und Aufrichtigkeit Grundbedingungen eines
internationalen Dialogs sind. Man sollte die fortschrittliche islamische
Devise aufrufen, wonach man das, was man für sich selbst will auch für die
anderen wollen soll und das, was für einen schädlich ist, auch für die
anderen als schädlich ansehen soll. Problematisch ist, dass es noch immer
Menschen gibt, die die Menschen in Bürger der ersten, zweiten und dritten
Klasse einteilen. Im Rahmen des Dialogs können wir eine menschlichere Welt
gestalten und zum Weltbürger gelangen. Der persische Dichter Saadi bringt
dies mit folgenden Worten zum Ausdruck: Die Menschen sind wie die Glieder
eines Körpers aus einem Schatz der Schöpfung, und wenn ein Glied Schmerzen
verspürt, bleiben die anderen nicht ruhig. Wenn wir dies beherzigen, dann
werden wir einen Menschen erleben, der wirklich menschlich ist, den das
Leid eines jüdischen Kindes ebenso betroffen macht wie das Leid eines
muslimischen Kindes. Wir müssen lernen, gleiches Leid zu verspüren, wenn
wir die muslimischen Kinder in Afrika an Durst und Hunger leiden sehen und
wenn Kinder in Los Angeles unter Hunger leiden. Die Welt ist klein
geworden, und deshalb wird die Welt als ein Dorf bezeichnet.
Ungerechtigkeit ist unakzeptabel - überall, und Frieden ist entweder für
alle gut oder für niemanden. Gut ist jedoch, dass alle für Frieden
stimmen.
Dr. M. Razavi Rad
Direktor des Instituts für Human- und
Islamwissenschaften